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Dietrich Grönemeyer

Aktualisiert: 30. Okt. 2021

Von meinem damaligen Wohnort Duisburg nach Bochum ist es nicht weit, eine Fahrt durch das Ruhrgebiet, durch den „Pott“, der mir in all der nun zu Ende gehenden Zeit ans Herz gewachsen ist. Es ist eine Region, von der ich heute weiß, was ich an ihr habe, ohne jemals gewusst zu haben, was ich von ihr wollte. Und in all dieser nun zu Ende gehenden Zeit, fahre ich heute, zum ersten Mal seit meiner Mittelstufenabschlussfahrt in der 10. Klasse, wieder in die Stadt, die man mit dem Namen Herbert wohl eher verbindet, als mit dem Namen Dietrich, auf jeden Fall aber mit dem Namen Grönemeyer. Es geht vorbei an Stadtteilen, die Duissern heißen und Styrum, Huttrop und Steele und an dem anderen Mühlheim, dem an der Ruhr. Vorbei an Orten, deren Straßennamen die Bürde schwerindustrieller Geschichte tragen und an Zechen erinnern, die es schon vor einer Ewigkeit längst nicht mehr gab, Straßen, die Alter Kohlenweg heißen und Schachtweg oder Erbstollen und Schüttberg, Voßkuhle, Zechenbahn und Louisenhoffnung und Glückaufsegenstraße. Und auf jeder dieser Straßen liegen meterhoch Schtories, die dort immer liegen werden, so lange dort Menschen leben, die was zu erzählen haben aus einer Zeit, in der das Leben arschhart war, aber ehrlich und irgendwie auch gut so, weil man sich danach ja eh nur an das Schöne erinnert. Und so wird es auch immer Menschen geben, die gerne von diesem Früher erzählen, als alles besser war und heute in Zeiten leben, in denen morgen auch mal alles besser gewesen sein wird und, die vergessen, dass deshalb dieses Heute ja eigentlich auch gar nicht so schlecht ist. Es ist eine Region, in der passieren kann, was will, in der die Welt aber spätestens am Samstach wieder in Ordnung ist, weil man dann ins Stadion geht, zum VfL, zur SG oder Borussia, zum MSV, nach’em RWO oder RWE. Und dort steht man jede Woche und vergisst ein bisschen seine Sorgen, weil man andere hat, die mit Abseitsentscheidungen, gelben Karten und Gegentoren zu tun haben, und das war schon immer so und früher genauso gut wie heute. Auch, wenn man nicht viel hat, sind die Gläser hier immer etwas voller, als anderswo und die Köpfe etwas leerer, aber auf eine beneidenswerte Art. Man ist gradeheraus und nicht so verkopft. Man hinterfragt nicht, wälzt, zerdenkt und zerredet nicht, man macht nicht so rum, man macht einfach. Es ist eine Region, in der alles kann, aber nichts muss, aber was muss dann doch muss, vor allem der Aufstieg von Duisburg und Bochum oder mal wieder ein Titel für Schalke.

Ich treffe Dietrich Grönemeyer in seinem Büro, in der obersten Etage seiner Klinik. Über allem schwebt eine freundliche Atmosphäre. Wir unterhalten uns über seinen medizinischen Ansatz, über Filme und über den Ruhrpott. Bis heute habe ich noch eine Akupunkturbehandlung bei ihm gut, die er mir versprochen hat. Und wer immer ihm begegnet, bevor ich es erneut tue, der darf sie gerne für mich bei ihm einlösen.


Bochum, im Sommer 2011

Dietrich Grönemeyer (*1952 – deutscher Arzt & Buchautor)

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